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Freude multiplizieren

März 2022

Ein Erfahrungsbericht von Felicia Fuchs

Wertschätzung. Ein Thema, das mich in den letzten Jahren stark verfolgt und geprägt hat. Privat fällt es uns deutlich leichter, unsere Wertschätzung gegenüber einer uns nahestehenden Person auszudrücken. Wenngleich es wohl nicht extra ausgesprochen werden muss, dass wir alle Wertschätzung wert schätzen und die meisten von uns, wenn danach gefragt, gerne mehr davon sehen würden bzw. sich vornehmen, diese auch mehr zu teilen.

 

Und im beruflichen Kontext?

In der Zusammenarbeit mit Teams und verschiedensten Unternehmen kam es mir immer wieder unter, dass Wertschätzung ein Faktor war, dessen Ausprägung schmerzlich vermisst wurde bzw. zumindest deutliches Entwicklungspotential aufwies. Ich arbeitete schon lange auf einer individuellen Ebene mit vielen niederschwelligen Methoden wie Wertschätzung im beruflichen Kontext mehr Einsatz finden könnte (z.B. Deep Dive Questions, 5 Minuten Wertschätzung). Die Rückmeldungen waren immer sehr animierend, hier weiterzugehen.

Die Entwicklungen der letzten 24 Monate haben dann nochmals – auch auf einer gesellschaftlichen Ebene –  eine neue Dimension mitgebracht: Wir waren schlichtweg physisch getrennt, wir wurden gedanklich in so viele unsichere Entwicklungen gezogen und mussten, unausgesprochen und ausgesprochen, so einiges an Trennendem verdauen. Das war der ausschlaggebende Punkt für die Idee zu den „Freude multiplizieren“-Karten. Das Bild, das ich damit verknüpfte, war überraschenderweise das Verteilen von Karten an mir völlig Unbekannte. Eine neue Ebene kam dazu.

 

Gesagt getan. Kaum hielt ich die druckfrischen Exemplare in den Händen wurden Familie, Freud:innen, einige Kolleg:innen oder Kund:innen mit den Prototypen konfrontiert und diese als gut befunden.“Dann also auf ins Unbekannte“, sagte ich mir. Und damit kam ein unerwarteter Ausflug außerhalb meiner eigenen Komfortzone auf mich dazu: Es war für mich überraschend festzustellen, dass das Weitergeben von Wertschätzung im öffentlichen Raum, an mir völlig unbekannte Personen, mit viel Überwindung verbunden war. Ich hatte Sorge, dass das falsch aufgefasst werden könnte. Und ich dachte mir: „Spannend, jetzt hast du die Idee umgesetzt, hältst die Karten in der Hand und irgendwas hält dich zurück“. Eine Erklärung ist für mich, dass Wertschätzung im öffentlichen Bereich noch recht wenig Raum einnimmt und, wenn, dann meistens aufgrund von vorheriger Aufmerksamkeit, deren Folge dann ein Akt der Wertschätzung oder hilfreichen Unterstützung ist, z.B. im Bereich der Freiwilligenarbeit. Unerwartete Wertschätzung, also jene, die einfach so aus dem Nichts kommt, ist bis dato noch wenig stark verbreitet. Gleichzeitig macht Wertschätzung auch immer etwas mit demjenigen, der diese ausspricht. Man öffnet sich, gibt etwas von sich preis. Das kann angreifbar machen.

 

Ich musste über meine eigene innere Hürde erstmal drüber und habe die Karten zuerst mit fremden Menschen geteilt, mit denen ich kurz Kontakt hatte, z.B. Kassier:innen im Supermarkt. Es fiel mir dahingehend auch gleich leichter, deren Reaktion abzuwarten und gegegebenfalls auch ein paar Worte auszutauschen. Ein schöner Nebeneffekt, den ich sonst einfach verpassen würde. In einem zweiten Schritt waren dann Personen an der Reihe, denen ich zufällig begegnete, z.B. Personen von der Müllabfuhr, Parksheriffs oder zufällig am Gehsteig Entgegenkommende. Sich hier kurz Zeit zu nehmen und nach der Übergabe der Karte nicht sofort wegzu“huschen“, war dann der nächste Schritt, den ich mir vorgenommen habe. Ein bis dato noch nicht stark erprobter Trick und Konfrontation mit dem Unvorhersehbaren: Sich beim aus dem Haus gehen, vorzunehmen, der ersten Person, der man begegnet, eine Karte zu schenken. Und es dann auch wirklich zu tun.

Die Reaktionen waren immer sehr positiv, viele waren vor allem überrascht und wussten teilweise gar nicht, wie ihnen geschieht. Viele waren selbst zurückhaltend im Begutachten der Karten.

Ein paar Fragen, die ich mir für die Reflexion notiert habe:

-Was ist mir selbst hinsichtlich Wertschätzung (in Richtung anderer/in meine Richtung) wichtig? Welchen Wert messe ich ihr bei?
-Wie geht es mir beim Verteilen der Karten? Was ist überraschend für mich? Was vielleicht irritierend?
-Was sagt das über mich aus?
-Was haben die Karten beim Gegenüber ausgelöst? Was kann ich daraus für andere Situationen mitnehmen?
-Zeigen sich Muster? Unterschiede oder Gemeinsamkeiten? Bei den anderen/bei mir?
-Welche sozialen Gewohnheiten werden sichtbar? Wie kann ich diese hinterfragen und vielleicht etwas Neues ausprobieren?

 

Ich habe mir vorgenommen, immer ein paar Karten mit dabei zu haben und, wenn ich gerade daran denke, wieder die ein oder andere zu teilen: Und weiter zu beobachten und zu lernen. Über den Umgang mit Unvorhersehbaren, die unterschiedlichsten Typen von Menschen und deren Reaktionen und überraschenderweise auch so einiges über mich selbst und meine inneren Hürden.

Die Karten entstanden aus der Intention, Freude zu multiplizieren. Ein „Nebenprodukt“ davon ist, dass man dabei auch noch sich selbst besser kennenlernt.

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